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Wird wohl alles funktionieren?

Wird wohl alles funktionieren?

Wird wohl alles funktionieren? Diese Frage kreist uns die ganze Zeit durch den Kopf. Alle Papiere haben wir beisammen, die Wohnung ist gekündigt, alles ist zusammengepackt und bereit, untergestellt zu werden. Um fünf Uhr morgens ist Tagwach. Wir möchten unser ganzes Hab und Gut noch vor Sonnenaufgang von unserer jetzigen Wohnung in das Haus von Mama Mane bringen, um es dort unterzustellen. Bis auf Mama Mane weiss niemand von unseren Reiseplänen. Auch ihr haben wir es erst am Vorabend erzählt. Sie wartete schon auf uns. Bis auf die Matratze hat alles im Taxi von unserem Freund Platz. So warteten wir auf eine freie Pferdekutsche und transportierten noch unsere Matratze. ein zwei Dinge gab es noch zu erledigen, einen kurzen Besuch bei der Familie, eine kurze Verabschiedung bei Mama Mane und dann gings auch schon bald los auf unsere Reise. Ich bin voller Vorfreude, denn ich würde bald meine Familie und Freunde nach eineinhalb Jahren wiedersehen. Und Madiakher, er wird zum ersten Mal in der Schweiz sein, mein Land erleben können, in dem ich aufgewachsen bin, sowie meine Familie und Liebsten kennen lernen. Wie wird das wohl werden? Wir sitzen in unserer Wohnung, nachdem wir uns frisch gemacht haben für die Reise und gehen nochmals alle Papiere durch. Wird wohl alles funktionieren? Und dann ging es auch schon los. Unser Taxifahrer war bereit, die Wohnung haben wir abgegeben und die Fahrt zum Flughafen startet. Ich werde das Meer vermissen, geht es mir durch den Kopf. «Dama xif», hörte ich plötzlich Madiakher neben mir sagen. Ich habe Hunger. Er holte mich aus unzähligen Gedanken zurück in die Gegenwart. Am Strassenrand halten wir kurz an. Etwas kühles zu trinken und ein legendäres Sandwich von hier. Hier gibt es die besten Sandwiches. Es sind nicht Sandwiches wie ich sie aus der Schweiz oder aus Europa kenne. Die Frauen haben eine Art Sauce, die einer Paste gleicht, Zuhause vorgekocht und füllen damit Baguettes. Je nach Geschmack mit Eiern, mit Tomaten und sonstigen genialen Zutaten oder natürlich auch mit Fleisch. Es ist wie eine Explosion im Mund und kann nicht in Worte gefasst werden. Es lohnt sich definitiv, schon deswegen in den Senegal zu kommen, um all die kulinarischen Leckereien zu geniessen. Gesagt getan und etwas später sassen wir wieder im Taxi, im siebten Himmel durch unsere Sandwiches und voller Vorfreude. 

Am Flughafen angekommen wurde zuerst all unser Gepäck kontrolliert. Diese Kontrolle kenne ich nur aus dem Senegal. Sie befindet sich direkt beim Eingang und scannt direkt alles durch, was man an Gepäck mit sich trägt. Es geht zu Check-in. Wir werden von überall her gemustert. Obwohl ich nicht die einzige Weisse bin und wir beide auch nicht das einzige farbig gemischtes Paar sind, werden wir überall angesprochen. «Bayfall», wie geht es dir. Ist das deine Frau? «Salamalekum Yayfall», sprachen sie mich an. Als ich ihnen auf Wolof antworte, sind sie positiv überrascht und wir tauschen uns mit allen kurz aus. Auf dem Weg zum Check-in an der ersten Kontrolle kommt das erste Yayfall, nan nga def? (Yayfall, wie geht es dir?). Beim Check in das zweite Mal und dann… 

Durch das stetige Grüssen, sich freuen und gemeinsame lachen sind wir voller positiver Gefühle, als an der Passkontrolle die Freude in Sekundenschnelle getrübt wird. Ein sehr ernstes Gesicht blick uns entgegen und unser Gefühl, dass hier war nicht ganz sauber laufen würde, bestätigte sich. All unsere Papiere waren korrekt, doch der Beamte war ganz offensichtlich auf der Suche nach etwas, was er uns vorenthalten könnte. «Madame, certificate de vactination!» Ich verstand nicht ganz, was ich ihm gegenüber äusserte und meinte, dass für die Schweiz keine Corona Impflicht besteht. «Madame, certificate de vactination!». Er meint in vollem Ernst, dass ich ihn nicht verstanden hätte und zeigte mir das gelbe Impfbüchlein. Für wie gekloppt hält der mich eigentlich, denke ich mir insgeheim. Denn auch für die Einreise in die Schweiz sind keine Impfungen obligatorisch. Ich signalisierte ihm, dass ich wohl Bescheid weiss, welche Vorgaben die Einreise in die Schweiz hat. Danach verlangte er meine Aufenthaltsbewilligung in Senegal. Ich meinte, mich verhört zu haben, denn noch nie musste ich bei einer Ausreise meine Aufenthaltsbewilligung vorzeigen. Doch kein Problem. Ich kann ihm dieses Papier vorlegen. Seine Mine wird immer ernster. Er scheint nach einer Lücke zu suchen, ging es mir durch den Kopf. Dann geht es bei Madiakher los. Er will auch alle Papiere von ihm. Als Madiakher auch sein Impfbüchlein vorzeigen sollte, hat der Beamte gefunden, was er suchte. Ein kleines Zucken geht durch sein Gesicht. Hätte ich ihn nicht so aufmerksam beobachtet, wäre es mir wahrscheinlich nicht aufgefallen. Bis jetzt hat er die ganze Zeit mit mir gesprochen. Als er das Impfbüchlein von Madiakher verlangte, gab er mir zu verstehen mein Französisch sei nicht gut. Ich würde nichts verstehen. Er wechselt auf Wolof in der Annahme, dass ich ihn nicht verstehen könnte. Nur zu gut verstehe ich ihn und ich verstehe auch, dass er von Madiakher 30'000 CFA verlangt. Nur mit diesem Betrag würde er ihm den Stempel für die Einreise geben. Er könne in die Wege leiten, dass wir bis nach Dakar gehen müssten, um an ein solches Impfbüchlein zu kommen. Denn Madiakher hat kein Impfbüchlein, welches für die Reise jedoch offiziellerweise auch nicht notwendig ist. Dieser Fall war klar und wir wussten, wir müssen nun schnell reagieren, um nicht in eine noch doofere Situation zu kommen. «Ich habe nur 20'000 CFA auf mir, reagierte Madiakher zackig auf Wolof. Ein fast nicht zu erkennendes Nicken und unauffällig werden die Scheine durch den Schalter geschoben. Ich konnte im Augenwinkel sehen, dass er in einem Becherchen auf der Seite schon einen ganzen Stapel an Geldnoten hatte. Aha, dachte ich mir, dies ging also schon die ganze Schicht über so… 

Wir liessen uns von alle dem nicht unterkriegen und erlangten sehr schnell unsere Vorfreude zurück. Als wir was zu trinken kaufen wollen, sollten uns die Augen aus dem Kopf fallen. Dass die Getränke und Lebensmittel auf dem Flughafen teurer sind, ist bekannt. Als wir den Preis von 1500 CFA für ein Liter Wasser lasen, welche sonst in Senegal 400 CFA kostet, können wir es kaum glauben. Wir lasen den Preis mehrere Male. Es war immer derselbe. Wie kann dies möglich sein. Wie schaut es bei den Kaffees aus? Unsere Augen schwenken zum Kaffeeangebot. Ein Becker Kaffee (Espressogrösse) 2000 CFA. Die Augen fallen uns ein zweites Mal aus dem Kopf. Für einen solchen Kaffee bezahlen wir sonst 50 CFA in Mbour. Wow! 

Der Flug von Dakar nach Madrid ist die etwas längere Strecke. Wir haben die Möglichkeit Filme zu schauen und es gibt sogar noch eine Verpflegung, sodass die Zeit schnell vergeht. Da wir gegen Abend um 22h in Dakar losgeflogen sind, befinden wir nun hier in Madrid um vier Uhr morgens. Einen Flughafen um diese Zeit zu erleben ist eindrücklich. Es ist ziemlich menschenleer. Alles ist geschlossen. Wir passieren nun von einem Kontinent zum anderen, sodass nach der Passkontrolle nochmals eine Sicherheitskontrolle kam. Bei der Sicherheitskontrolle scheinen die Mitarbeiter/innen etwas am Dösen zu sein. Denn als wir ankommen, hoben alle zur selben Zeit den Kopf in die Höhe. Sie schienen etwas müde zu sein, doch erfreut, uns zwei zu sehen. Endlich wieder etwas zu tun. 

Die Zeit zieht sich lange hin und wir freuen uns, als um sechs Uhr morgens der eine Kaffeestand bei uns öffnet. Endlich einen Kaffee. Wir müssen noch etwas durchhalten, denn der Anschlussflug sollte erst gegen neun Uhr morgens starten. 

Der Flug verging sehr schnell. Vielleicht war es der Rückenwind, welcher uns die Reise von Spanien in die Schweiz verkürzt hat? Plötzlich sind wir da. Endlich sind wir in der Schweiz gelandet. Beim Warten auf die Koffer kann ich im Augenwinkel, als die Ausgangstür aufging, schon meinen Papa sehen. Endlich werde ich wieder meine Familie sehen. Und dann öffnet sich für uns die Türen. Und da sind sie. Mein Papa und mein Bruder grinsen übers ganze Gesicht. Wir haben es geschafft und die Zeit in der Schweiz kann beginnen.

©Verein "Nio boku gis gis - on vois dans la même direction"