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Wie oft wird es wohl so sein? (3/4)

Wie oft wird es wohl so sein? (3/4)

Es war der Tag nach der theoretischen Prüfung als uns der Anruf vom Herrn der Behörde (wir nennen ihn mal Herr W.), bei dem wir das Dossier ganz zu Beginn eingereicht hatten, erreichte. Mittlerweile war es um die Weihnachtszeit herum. Wir sollten die darauffolgende Woche nach Thies kommen. Ich hätte die theoretische Prüfung bestanden und müsste nun für Formalitäten auf die Behörde kommen. Meine Fingerabdrücke müsste ich einscannen, ein Portrait von mir knipsen lassen sowie eine Gebühr bezahlen. Sieben Tage nach der theoretischen Prüfung machten wir uns also wieder auf nach Thies. Noëmi begleite uns auch dieses Mal. Sie kam zu Beginn des Dezembers zu uns auf Besuch und war direkt nach ihrer Ankunft beim ersten Treffen auf der Behörde in Thies mit dabei. Es war wieder früh morgens und wir hielten kurz bei einer Bayfall Kaffeebude, um uns einen Kaffee zu holen, der uns etwas aufwecken sollte. Die Fahrt ging wieder los, ab nach Thies. Wie oft werden wir wohl diesen Weg in der nächsten Zeit noch hinter uns bringen müssen? Und welche Gründe hat es, dass wir für jeden einzelnen Schritt nach Thies fahren müssen? Hätte man die Fingerabdrücke und das Foto nicht mit der Theorieprüfung verbinden können? Eine Antwort auf all unsere Fragen werden wir wohl nie bekommen, denn gewisse Dinge werden wir wohl einfach so hinnehmen müssen. Auch werden wir sicherlich nicht erfahren, wie viele Fragen ich bei der Prüfung richtig wusste. Die Hauptsache ist auf jedenfall, dass ich bestanden habe und nun auf dem Weg zum nächsten Schritt in Richtung Fahrausweis war. Wir erreichten Thies sehr früh. Die Büros der Behörden waren noch geschlossen. Herr W. war jedoch schon da, denn als wir nach ihm Ausschau hielten und nach ihm fragten, kam er uns direkt entgegen. Wir sassen auf einer Mauer im Innenhof der Behörde, als ich plötzlich gerufen wurde. Es ging in ein Büro, in dem eine Kamera vor einem weissen Banner aufgestellt war, dazwischen ein Stuhl. Ich war plötzlich umgeben von sicherlich fünf jungen Männern. Sie begutachteten mich, während der eine hinter dem Laptop mich bat, meine Finger scannen zu lassen. Als ich auf Wolof antwortete, schauten plötzlich all die Jungs auf einmal mit grossen Augen auf mich. Ihr Gespräch verstummten plötzlich und im Stillen arbeitete der eine hinter dem Laptop weiter. Die Finger für die Abdrücke gescannt, musste ich eine Unterschrift geben und freundlich in die Kamera lächeln für das Foto auf dem Fahrausweis. Ich bekam eine Unterlage, mit welcher ich auf ein anderes Büro gehen sollte. Da dies noch nicht offen war, ging die Warterei weiter. Zum Glück dauerte alles nicht allzu lange und so konnte ich schon bald auf das zweite Büro. Die Gebühren hatten wir bezahlt, uns auch von  Herrn W. verabschiedet. Mit einem Sandwich in der Hand fuhren wir wieder zurück nach Mbour. Am 20. Januar sollten wir wieder kommen. Da würde die praktische Fahrprüfung stattfinden. Auf meine Frage, wie die praktische Prüfung genau ausschaut bekam ich nicht wirklich eine für mich genügende Antwort. Ich müsste Autofahren.  

Da ich überhaupt keine Ahnung hatte, was mich bei der praktischen Fahrprüfung genau erwarten würde, wollte ich unbedingt einmal Auto fahren auf den senegalesischen Strassen. Ich fragte mich von Person zu Person nach Tipps, wie ich am besten im tiefen Sand das Auto lenke, was auf den senegalesischen Strassen als Fahrer/in gut zu wissen sei und ob sie mir Tipps hätten, wie die Fahrprüfung ausschauen wird. Eines Tages fuhr ich mit dem Auto eines Taxifahrers eine Strecke ohne Polizeikontrolle, erhielt viele Tipps zum Fahren auf den Sandstrassen, aber wie die Prüfung ablaufen würde, konnte mir niemand sagen. Ich bekam jedes Mal die Information, dass sie ganz einfach wäre, ich solle mir keine Sorgen machen. So ging die Fahrt nach Thies an die praktische Prüfung am 20. Januar früh morgens wieder los. Unser Lieblingstaxifahrer C. fuhr uns wieder hin. Mit einer Tasse Kaffee in der Hand ging die Fahrt los. Ich war etwas nervös, denn ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, was mich erwarten würde.. Wie schaut eine senegalesische Fahrprüfung aus? Wieso konnte mir niemand wirklich Auskunft geben?

Was ich überhaupt nicht mag, ist eine Prüfung abzulegen vor einem riesigen Publikum. Als ich am Stadteingang von Thies war erschloss sich mich wieder einmal dieses Bild. Schon bei der theoretischen Prüfung waren unzählige Personen um uns herum, die uns alle beim Schreiben der Prüfung beobachteten, dazu die Prüfungsabnehmer. Ich mag dies überhaupt nicht. Und hier schien es noch mehr Menschen zu haben. Wir fuhren langsam durch die Menschenmasse, die sich auf der Strasse zusammen mit Autos, geparkten Autos, Pferdekutschen, Händlern und Strassenkindern befanden. Wir fuhren in eine Nebenstrasse und parkierten das Auto. Zu dritt stiegen wir aus und machten uns auf die Suche nach meinem Dossier. W. teilte uns mir, dass wir den Mann finden sollten mit meinem Dossier. Dieser hätte uns die Auskunft, wo ich die Prüfung ablegen musste. Es war wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Millionen an Menschen um uns herum und gefühlt alle schauten uns zu. Madiakher umgeben von zwei weissen Frauen…

An diesem Morgen regnete es und es war unglaublich kalt. In der Trockenzeit regnet es eigentlich nie und wenn es ein seltenes Mal geschieht, sind die Temperaturen unglaublich kalt. Alle anwesenden Senegalesen schienen überrascht zu sein über den Regen, denn er war wirklich selten um diese Jahreszeit. Wir fragten uns von einem Mann zum andern durch auf der Suche nach meinem Dossier. Es ging überraschend schnell, bis wir den einen Mann gefunden hatten, der mein Dossier bei sich hatte. Ich sollte mich nun bei der einen von unzähligen Menschenschlangen anstellen. Ich überquerte den Platz und ging auf die Schlange zu, während Madiakher und Noëmi angewiesen wurden, von den Schlangen fernzubleiben. Noëmi ging zurück zum Auto, denn da war es ein bisschen wärmer als draussen und frühstückte. Vor jeder Menschenschlange war ein Auto, in welches eine Person nach der anderen die Prüfung ablegte. Nur vor meiner Schlange war noch kein Auto. Innerlich dachte ich mir, dass dies noch ewig dauern könnte. Ich beobachtete die anderen Autos und den Ablauf in den anderen Schlangen. Eine Person ging zu einem älteren Herrn, der auf der anderen Strassenseite stand, gab ihm das Dossier ab, ging zurück zum Auto stieg ein fuhr ein bisschen links, etwas rechts und rückwärts und dann stieg die Person wieder aus. Dieses kleine Manöver spielte sich alles innerhalb von keinen zwei Metern ab und nur im ersten und Rückwärtsgang ab. Die einen legten den Sicherheitsgurt an und blinkten bei den Kurzen, die andern nicht. Hinter mir war ein junger Herr, der auch zur Prüfung kam. Wir kamen ins Gespräch und ich erfuhr, dass er schon zum zweiten Mal da sei. Unsere Prüfung sei kein solches Manöver, erzählte er mir. Wir müssten einfach nur eine Linkskurve fahren. Da der Regen stärker wurde und ich begann zu frieren legte ich mir meinen Schal über den Kopf in der Hoffnung etwas Wärme zu behalten. Der eine Herr, welche die Prüfung koordinierte kam auf mich zu und begrüsste mich. Als ich mit ihm auf Wolof sprach war er sehr erfreut. Ich meinte, es sei heute wirklich sehr kalt und nass, worauf er mir dies nur bestätigte und allen um ihn herum voller Bewunderung erzählte, dass ich Wolof spreche. Es wurden die Gebühren eingefordert und der Pass kontrolliert und wir waren bereit für die Prüfung, als ein kleines rotes Auto vorfuhr. Endlich, es kann losgehen. Alle Frauen sollen nach vorne in die Schlange gehen, was die Frauen erfreute und den Männern in der Schlangen ein Seufzen entlockte. Zwei Damen waren vor mir und dann musste ich mein Dossier diesem älteren Herrn bringen. Er wollte wissen, woher ich komme und als ich auf Wolof antwortete war er voller Zufriedenheit. Er studierte mein Dossier genau und setzte seine Unterschrift darauf. Ich stieg ins Auto ein und erkundigte mich ob ich den Sicherheitsgurt anlegen sollte. Nein, sei nicht nötig. Ok. Und nun, fragte ich, was soll ich genau fahren? Eine Linkskurve, meinte er. Echt jetzt, wirklich? Der Motor war schon an und die Kupplung in Leergang. Also schaltete ich in den ersten Gang und wollte mit der Kupplung wie es sich gehört anfahren. Die Kupplung klemmte fest und bewegte sich keinen Milimeter. «Monsieur, je suis desolé mais le embrayage ne functionne pas. » Er schaute mich verstört an und wackelte etwas an der Kupplung. Sie klemmte wirklich fest und es benötigte zwei weitere Versuche von ihm, sie frei zu bekommen. Endlich löste sie sich und ich fuhr an. Da die Kurve keinen Meter lang sein sollte ging ich wieder auf die Bremse, denn das Auto konnte mit der Kupplung knapp anfahren, jedoch nicht in Stillstand, wie ich es von anderen Autos gewohnt bin. Die Bremse funktionierte auch nicht. Ich drückte fester zu und noch fester. Endlich kam das Auto zum Stehen. Huff, geschafft. Ich hoffte innerlich, dass dieser Mann mit diesem Auto nicht auf die öffentliche Strasse gehen würde. Und ich war stolz auf mich, dass ich sogar mit einem Auto fahren konnte, das eigentlich nicht mehr fahrtüchtig ist. Habe ich nun diese Prüfung bestanden oder nicht? Keiner gab mir diese Auskunft. Ich müsste meinen Fahrlehrer anrufen, in meinem Fall Herr W., er würde mcih darüber informieren. Ich empfand dies als eigenartig, denn der war an diesem Tag überhaupt nicht anwesend. Wie soll er denn wissen, ob ich bestanden habe oder nicht? Wer entscheidet dies überhaupt? Alle möglichen Augen haben auf all die Autos geschaut, doch wer entscheidet denn das nun ganz genau? Eine Woche nach der Prüfung wusste ich noch immer nicht Bescheid. Als wir Herrn W. anriefen teilte er mir, dass ich nicht bestanden hätte. An was es mangelte, konnte er uns nicht sagen. Ich hätte einfach nicht bestanden. Wir wussten alle, dass ich den Fahrausweis in der Schweiz schon hatte und es nicht an meiner Fahrkunst liegen konnte. Denn meine Linkskure über einen Meter lang, war einwandfrei. Wir vermuteten, dass ich auf Grund des nicht Bezahlens des sogenannten „Schutzes“ nun die Prüfung nicht bestanden habe. In einem Monat, als am 20. Februar sollte ich einen zweiten Versuch machen.

An der zweiten Prüfung begegnete ich wieder dem jungen Herrn, welcher hinter mir in der Schlange angestanden war. Wir schauten uns an und wussten beide, wir haben nicht aufgrund unserer Fahrkünste nicht bestanden, sondern aufgrund anderer Beweggründe. Auch er, scheint mir, hat nicht den „Schutz“ bezahlt, denn er war schon zum dritten Mal an der Prüfung. Wieder musste ich eine Woche nach der zweiten Fahrprüfung Herrn W. anrufen. Und wieder, nicht bestanden. Was für ein Ohnmachtsgefühl in einem aufkommt in solchen Situationen. Ich mahnte mich zu Geduld und wusste, da muss ich einfach durch. Wie oft wird es wohl so sein?

Erfahre es im nächsten Eintrag.


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