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Und dann war er da. Es war kurz vor Mitternacht

Und dann war er da. Es war kurz vor Mitternacht

Seit mehreren Tagen können wir ihn riechen. Er scheint zum Greifen nah zu sein. Die Luftfeuchtigkeit ist schon seit Wochen gestiegen und befindet sich mittlerweile in Höhe von bis zu 80%. Seit das Meer grünlich braun geworden ist, nach Schwefel und verfaulten Fischen gerochen hat und unzählige Meerestiere tot am Strand angeschwemmt wurden, waren wir nicht mehr schwimmen. Auch noch zwei Wochen später war das Meer noch nicht sauber genug, um schwimmen zu gehen. Der Gestank war etwas zurück gegangen, doch noch immer war es braun. Ich hatte den Eindruck, das Meer versuche, alles

heraus zu schwemmen was nicht dahin gehört. Ich sehnte mich so unglaublich danach wieder schwimmen zu gehen und im selben Atemzug fühlte ich mich so traurig und wollte dem Meer die Ruhe lassen. 

Seit ich ihn riechen konnte, stand ich jeden Morgen am Fenster und schaute nach ihm. Im Oktober habe ich ihn zum letzten Mal gesehen und erlebt. Mittlerweile ist Mai. Ich vermisse ihn. Hmmm, von wem ich spreche? Natürlich es ist der Regen. Mit dem ersten Regen endet die Trockenzeit und es fängt eine neue Phase an. Noch hat es in Mbour nicht geregnet, vermutlich aber in anderen Städten oder im Süden von Senegal. Die Vorfreude auf den Regen ist gross. Er bringt eine solch andere Stimmung mit sich. Bevor es regnet, baut sich eine Spannung auf. Der Regen bringt etwas Kühles und Reines mit sich, während danach eine unglaublich schwüle Hitze herrscht. Die Sandstrassen sind mit unzähligen Pfützen, Bächen und Abfällen übersät. Überall steigen Gerüche hoch, welche man lieber nicht in der Nase hat. Dies sind nicht wirklich schöne Realitäten, doch nach dem Regen gibt es auch eine Atmosphäre, welche einen verzaubert. Es sind die zwitschernden Vögel, welche auf den sauber gewaschenen Bäumen sitzen, alle Farben der Pflanzen so klar und stark und das Grün der Bäume einem regelrecht in die Augen sticht. Es ist so unglaublich schön. 

Und dann war er da. Es war kurz vor Mitternacht zum Ende des Monats Mai. Scheint als wäre eine Schleuse aufgegangen und es fielen literweise Regen. Überall rauschte es und es kam mir vor als würde der Regen uns ein Konzert geben. Nach einer kurzen Regenpause ging es ein zweites Mal los. Dieses Mal gewitterte es. Welch ein Glück wir haben, können wir unter unserem Mückenzelt auf einer gemütlichen Matratze im Schutz einer Wohnung sein und den Regen einfach geniessen. Meine Gedanken schweiften zu all den Hütten der Strassenkinder oder generell all denen, welche kein stabiles und sicheres zuhause haben. Ihre Nacht wird sehr nass, kalt und voller Kleintiere sein. Ich wünschte mir, dass jedes Wesen hoffentlich trotzdem einen guten Unterschlupf gefunden hat und eine friedliche Nacht erleben durfte. Mit diesem Gedanken war ich wohl eingeschlafen, denn das Gezwitscher der Vögel hat mich wieder geweckt. Der Himmel blau und alles war so rein und friedlich. Ich war verzaubert. 

Als ich in die Küche schaute, musste ich schmunzeln. Durch das Fenster, welches wir vergessen haben zu schliessen und nur mit dem Mückengitter geschlossen war, hat es hineingeregnet. Den ganzen Staub hat es hereingewaschen und das ganze saubere Geschirr war voller Staub. Hier müssen wir wohl putzen. Jetzt müssen wir uns wohl wieder an den Regen gewöhnen und vor allem daran die Fenster frühzeitig zu schliessen :) 

Ich konnte es kaum erwarten, an den Strand und vor allem ins Meer zu kommen. Ich wünschte mir so sehnlich zu schwimmen. Durch den Regen wurde es noch mehr gereinigt und hat jeweils eine unglaubliche Ruhe und friedliche Weise, welche einzigartig ist. Nach dem Mittagessen war es soweit. Es gab herrliche Wellen, die sehr hoch waren jedoch nicht bedrohlich. Einen herrlichen Moment und ich wollte kaum mehr aus dem Wasser. Als mir kalt wurde musste ich wohl oder übel etwas in die Sonne gehen. Der Wind liess mich nicht schnell warm werden, trotzdem konnte ich nicht an mich halten und ich sprang ein zweites Mal hinein.

Zurück aus dem Wasser, bemerkten wir zwei Jungs am Strand. Es schienen zwei Freunde zu sein, welche als Strassenkinder gemeinsam in der selben Koranschule leben. Nicht lange dauerte es und auch sie sprangen ins Meer. Auch sie schienen es unglaublich zu geniessen. Sie sprangen in die Wellen und konnten wie wir auch kaum aufhören zu lachen. Irgendwann begannen sie mit all ihren Kräften zu singen. Sie sangen Koranlieder, mit welchen sie versuchten gegen den Wind anzukommen. Die beiden Jungs schienen so sehr im Moment und im Frieden zu sein, dass sie dies auch um sich herum ausstrahlten. 

Wie neu geboren ging es wieder zurück nach Hause, zurück in die Vorbereitungen für die bevorstehende Reise. Die Wäscheleine ist voll und die Kleider tropfen vor sich hin. Durch den Regen und die hohe Luftfeuchtigkeit trocknen diese nun nicht mehr so schnell und das Wäsche waschen muss auf verschiedene Tage aufgeteilt werden. In fünf Tage geht die Reise los. Wir können es kaum erwarten. Was uns da wohl alles begegnen wird? Ich werde nach eineinhalb Jahren im Senegal, das erste Mal wieder in die Schweiz reisen und all meine Liebsten wieder sehen. Und Madiakher reist zum ersten Mal in die Schweiz. Erst einmal war er in Europa. Dies ist jedoch schon einige Jahre her und diese Reise war sehr kurz. Da diese Reise und das damit verbundene Engagement im Dezember war, erlebte er den Kälteschock seines Lebens. Er ist somit sehr gespannt, Europa nun auf eine neue Weise kennen zu lernen.

Was alles auf uns zu kommen wird? Es bleibt spannend!

 

©Verein "Nio boku gis gis - on vois dans la même direction"