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Sogar die Fliegen kleben an der Decke

Sogar die Fliegen kleben an der Decke

Hier im Senegal ist eigentlich immer etwas los. Ganz ruhig habe ich den Senegal noch nie erlebt. Jegliche Geräusche sind tag- und nachtsüber immer zu hören. Es sind die Schafe von hier und der Umgebung die blöken, die Vögel die zwitschern, die Hupen der Autos, die Glöckchen der Pferdekutschen, Kinder die spielen, Mütter die nach ihren Kindern rufen, Gespräche der Nachbarn, hie und da ein «Salamalekum» oder «Buege Bayfall» zur Begrüssung und irgendwo ist ein weinendes Baby zu hören.

Gegen Abend sind immer mehr Gesänge der Bayfalls und verschiedenen Ethnien, welche hier leben, zu hören. Mit ihren Gesängen beten sie während sie durch die Strassen ziehen oder sie an einer Kreuzung eine Zusammenkunft bilden. Die Gesänge der Moscheen sind natürlich pünktlich zu ihrer Zeit zu hören. Hier richten sich die Menschen nach den Gesängen der Moscheen und wissen somit die ungefähre Tageszeit. Ich orientiere mich auch schon daran und der Blick aufs Handy hat sich mit der Zeit ziemlich reduziert. Ich sitze gerade in unserem Zimmer und lausche den Geräuschen. Die Wände der Häuser und die offenen Fenster lassen einen die Geräusche bis in jedes Zimmer hören, auch bei uns im Zimmer eigentlich immer das Fenster offen. Nur manchmal schliessen wir es mit einem Vorhang, damit die Kälte am Abend nicht hineinkommt. 

Habe ich euch schon von unseren neuen Nachbarn erzählt? Vor ein paar Monaten kamen Vögel an unser Fenster und bauten sich ein Nest. Hätten wir das Fenster geöffnen, wäre es in unser Zimmer gefallen. Unser Zimmer hat ein Balkon und davor wachsen zwei grosse Bäume mit unzähligen Vögeln die sich darin tummelm und uns den ganzen Tag wunderbare Konzerte liefern. Madiakher baute aus 10l Flaschen Gefässe und befestigte sie vor unserem Fenster an dem Balkon. Seither besuchen uns unzählige weitere Vögel. Voller Freude beobachten wir jeden Tag wie unsere Nachbarn zum Trinken und Essen vorbeikommen. Seit wenigen Tagen habe ich einen Vogel mit einem schwarzen Kopf und knallgelbem Körper gesehen. Es seien die Vögel der Regenzeit, erklärte mir Madiakher. Es ist ein unglaubliches Spektakel ihnen zu zuschauen. Mittlerweile hat es Junge gegeben und so sitzen teilweise neun kleine Vögel mit gelbem Bauch auf den Futterschalen und versuchen die Körner zu picken.

Um sechs Uhr morgens erwacht Senegal und man kann die ersten Personen aus den Häuser kommen sehen. Sie kehren vor ihrem Haus die Nischen und füllen bei den Dorfwasserstellen ihre Kanister für den Tag. Ab diesem Zeitpunkt ist immer jemand zu sehen entweder unterwegs oder sitzend vor dem Haus. Jeder der Arbeit hat, ist am arbeiten, wer keine Arbeit hat, ist am Ausschau halten. Die etwas älteren Personen sitzen vor dem Haus und beobachten das Treiben der Kinder und Jugendlichen. Die Kinder welche die Möglichkeit haben, gehen zur Schule, doch die Jungs verbringen lieber jede freie Minute auf der Strasse und spielen Fussball. Ab und zu werden sie gerufen, um bei einer Tätigkeit mitzuhelfen - dann geht’s aber wieder schnell zurück ans Spiel. Die Mädchen spielen meistens unter sich. Sobald sie etwas älter sind, helfen sie im Haushalt mit. Gegen Mittag steigt die Hitze und es wird versucht drinnen oder an einem Schattenplätzchen zu verweilen. Sogar die Fliegen kleben an der Decke und scheinen sich nicht bewegen zu wollen. Erst gegen den späten Nachmittag kommt langsam wieder Bewegung auf. Die Frauen machen weiter mit den Haushaltsarbeiten und der Vorbereitung für das Abendessen. Die Männer verfolgen weiter ihre Tätigkeiten oder suchen nach Möglichkeiten auf Arbeit. Das Ziel ist, es die Familie versorgen zu können. Gegen Abend kann ich beobachten, wie die älteren Personen auf ihren abendlichen Spaziergang gehen, Kontakte gepflegt werden oder die jüngeren Personen ins Fussball-, Basketball- oder Karatetraining gehen. Der Senegal ist ohne diese Bewegungen und Geräusche, definitiv unvorstellbar. Es erschafft ein unglaubliches Flair.

Aktuell befinden wir uns mitten im Ramadan. Ich habe noch keinen Ramadan miterlebt. Seither ist alles viel ruhiger und langsamer. Alle die Arbeit haben, verfolgen weiterhin ihre Arbeiten, doch das Leben kommt erst gegen Abend wieder auf.

Kurz bevor die Moscheen singen und das Fasten für den Tag beendet ist, machen sich die Menschen für den Abend bereit und organisieren sich kleine Speisen. Davor ist es fast leer und total still in den Strassen. Es sind mehrheitlich Bayfall zu sehen, welche sich um das Kaffe kochen auf dem Feuer gekümmert haben. Sie stehen mit Pappbecher in den Händen wartend auf die Menschen die aus den Moscheen kommen. Es ist eine unglaubliche Atmosphäre.

Letztens sind Madiakher und ich mit einem kleinen Jungen, welcher zusammen mit uns im selben Haus wohnt, auf einen Abend Spaziergang gegangen. Wir schlenderten dahin und der Junge gab mir seine Hand. Alle waren in Gedanken versunken und schauten in der Gegend umher. Manchmal erzählte der Junge und zeigte auf etwas. Als ein älterer Herr uns entgegenkam, grüsste er uns und erklärte, wie schön es doch sei uns zu beobachten. Es sei so friedlich. Alle Kinder sollten das Glück haben bei uns zu sein, meinte er. Er erzählte stolz, dass er Reiseleiter ist und wechselte die Unterhaltung plötzlich auf Englisch und Französisch. Dadurch wollte er uns seine Fähigkeiten als Reiseleiter näher zeigen. Er fragte ob der Junge unser Sohn sei, was wir verneinten. Danach schaute er mich und Madiakher lange an und sagte dann: «seht ihr meinen Bart? Er ist schon grau. Meine Zeit ist bald vorbei. Aber deine Haare», er zeigt auf Madiakher «sie sind noch farbig und kräftigt. Habt jung Kinder, da habt ihr noch alle Kräfte und wenn ihr älter werdet, noch viel Zeit für euch und das Leben. Das Leben ist wundervoll, geniesst es weiterhin. Ihr macht es genau richtig.» Mit einem grossen Lachen im Gesicht verabschiedeten wir uns und jeder ging weiter seines Weges. Ein «ich bin stolz auf Junge wie euch» hörten wir von ihm noch, bevor er um die Ecke bog. Auch wir zogen weiter und kamen alle drei mit einem Grinsen im Gesicht Zuhause an.

Ich hoffe, dass ich euch durch all die Einblicke hier auch ein Lachen ins Gesicht gezaubert habe. Geniesst jeden Moment und schafft unvergessliche Momente. Ein Kompliment geben, ein Lächeln schenken oder schöne Dinge austauschen… all dies kommt oft zu kurz. Doch versuche es mal, nur schon ein Lächeln kann grosses Bewirken und es ist wundervoll.

 

Seid lieb gegrüsst,

Muriel & Madiakher

©Verein "Nio boku gis gis - on vois dans la même direction"