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…doch dazwischen lag das Abendteuer

…doch dazwischen lag das Abendteuer

Wir starteten entspannt in den Tag und er endete auch wieder entspannt. Doch dazwischen lag das Abendteuer. Es war ein gewöhnlicher Tag. Wir sind wie gewohnt um ca. sechs Uhr morgens aufgestanden, haben Brot beim Bäcker geholt, gefrühstückt und uns für den Tag bereit gemacht. Wir wollten nach Mbour fahren, um da zu arbeiten. Madiakher hatte Dinge zu erledigen und ich hatte einiges an Büroarbeit, die ich angehen wollte. Während ich den letzten Rundgang durchs Haus machte und alles verschloss, machte Madiakher einen letzten Motorrad-Check. Das Hinterrad ist schon seit längerem nur noch mit zwei Schrauben anstelle der eigentlichen vier mit der Bremse befestigt, doch es hält unglaublich fest. Hier entsprechen die Fahrzeuge definitiv nicht dem Schweizer Standard, doch sie werden unglaublich behutsam gewartet und unterhalten. So schaut auch Madiakher stetig, dass alles in Ordnung ist mit dem Motorrad und wir sicher unterwegs sind. An diesem Morgen meinte er, wir sollten etwas langsamer fahren. Er hat ein komisches Gefühl. So stiegen wir aufs Motorrad und fuhren los. Doch plötzlich, etwa nach der Hälfte der Strecke, blockierte das Hinterrad und Madiakher lenkte das Motorrad langsam von der Strasse ab. Wir inspizierten es. Die Kette war rausgefallen und die beiden Schrauben waren locker. Zusammen konnten wir die Kette wieder zurück auf das Zahnrad legen. Wir wollten nun das Motorrad stossen, da eine Fahrt zu gefährlich gewesen wäre. Auch kam in wenigen Meter die Polizei, die stehen jeden Tag am selben Ort auf dieser Strecke, sodass wir das Motorrad nahmen und unseren Weg zu Fuss weiter gingen.

Die Polizei hält meistens Autos oder Motorräder an, um nach Drogen zu kontrollieren oder um Geld zu machen. Trägst du keinen Helm, musst du eine Busse bezahlen. Hast du keine Fahrzeugpapiere, bezahlst du eine Busse. Nach einem Fahrausweis wird nicht geschaut, dafür nach möglichen Drogen im Gepäck oder im Fahrzeug. Gerade in den Motorrädern würde oft Drogen gefunden. Und hat man ein spezifisches Erscheinungsbild, werden generell Kontrollen durchgeführt. Auch halten sie gerne weisse Menschen an, denn bei diesen gehen sie von einem vollen Portemonnaie aus, sodass sie ihren Geldbeutel einfach füllen können. Und seit Corona ein Thema ist, wird bei den Autofahrern geschaut, dass eine Maske getragen wird. Die Maske ist ein weiterer Grund für die Polizei, Geld zu machen. Denn eine Maskenpflicht herrscht offiziell nicht. Hier im Senegal ist Corona soweit kein Thema mehr. An diesem Morgen sind wir nicht angehalten worden, da wir ja das Motorrad gestossen haben. Wir grüssten freundlich und gingen weitern. Nach der Polizei Patrouille fand sich eine Werkstatt. 

Unser Motorrad wurde begutachtet und eine Zwischenbilanz gezogen. Es müsste das Zahnrad ausgewechselt werden. Madiakher kennt sich gut mit Motorrädern aus und wusste, wenn wir die Schrauben gut anziehen könnten, würden wir es bis zu seiner üblichen Werkstatt schaffen. Und dort könnten wir, so war eigentlich der Plan, das Motorrad reparieren lassen. Wir bedankten uns und zogen weiter. Denn der Preis, den sie uns für die Reparatur genannt hatten, war ganz klar ein «Tubab» Preis. Ein «Tubab» Preis ist der Preis, welche die Senegalesen für die weissen Menschen machen. Alles zigfach teurer. Wir gingen also weiter unseren Weg. Madiakher schob das Motorrad und ich ging neben ihm die Strasse entlang. Allerlei erlebt man so in den Strassen von Senegal. Am Strassenrand sah ich ein Fell einer Ziege. Plötzlich entdeckte ich im Augenwinkel eine Menge an Schuhen, welche einfach auf dem Boden lagen und die Strasse pflasterten. Es scheint, als wären einem Schuhverkäufer seine Ware runtergefallen und nun nicht mehr verkäuflich. Eine Strasse voller Schuhe. Und die Blicke der Leute. Wir wurden angeschaut als wären wir zwei Ausserirdische. Es konnte nicht nachvollzogen werden, weshalb eine weisse zu Fuss unterwegs ist und der Senegalese nebenan das Motorrad schob. Die sind doch reich. Die können sich alles leisten und sicherlich auch ein Motorrad direkt reparieren. Dies gaben mir die Blicke zu verstehen. Auch Madiakher meinte plötzlich zu mir, wie unglaublich das ist, dass uns alle so komisch anschauten. Die Menschen würden sich fragen, weshalb er nicht das Geld der Weissen nutzen würde, um mehr Komfort zu haben. Doch dass wir, genau wie auch alle anderen hier, Menschen sind, konnte irgendwie nicht verstanden werden. Als plötzlich ein Motorrad neben uns hielt. Der Mann sprach Madiakher an und wollte wissen, was uns passiert ist. Während Madiakher erklärte, schien der Mann sich nicht auf das Motorrad zu konzentrieren. Seine Blicke waren bei mir und sein Mund sperrangelweit offen. Madiakher war kurz angebunden und liess den Herrn spüren, dass er uns in Ruhe lassen soll. Als der Herr mit seinem Motorrad weiterfuhr meinte Madiakher: «Siehst du das Hinterrad, es fährt eine acht. Der wird nicht mehr weit kommen und auch zum Mechaniker gehen müssen. Hoffentlich baut er kein Unfall.»

Wir gingen weiter und weiter. Immer wieder wurden uns Dinge nachgerufen. Es kam wieder eine Werkstatt. Hier meinte man, es müsse nicht nur das hintere Zahnrad ausgewechselt werden, sondern auch noch der ganze Motor. Der dafür genannte Preis war eine Frechheit. Also gingen wir weiter, als wir plötzlich gerufen wurden. Ein Künstlerkollege von Madiakher hatte uns gesehen. Eine Begrüssung, ein kurzes Updaten der News und ein Nummernaustausch fand statt. Auch hier gab es eine Werkstatt. Wir baten um einen Schraubschlüssel. Dieser konnte uns nicht kurz ausgeliehen werden, da der Chef der Bude dies nicht erlaubte. Nun gut, der Fussmarsch ging weiter. Die Hitze stieg immer mehr, wobei wir Glück hatten. Denn seit die Regenzeit vorüber ist, ist es nicht die ganze Zeit heiss, sondern die Hitze kommt erst so gegen neun Uhr. So war es heiss, doch noch nicht die volle Hitze. Als wir in Mbour waren, kamen wir wieder an einer Werkstatt vorbei. Hier hiess es, wir müssten den ganzen unteren Teil des Motorrads umbauen und erneuern. Der Preis dafür natürlich auch wieder ein Tubab Preis. Nun gut. 

Bevor wir uns auf zum Arbeitsort machten, wollten wir noch kurz auf die Bank, um das Geld für die geplante Reparatur des Motorrads zu holen. Die Bank war voller Menschen, die warteten. Als wir an den Geldautomaten wollten hiess es, es hätte keine Internetverbindung. Es würde nur noch zehn Minuten dauern, bis alles wieder funktionieren würde, sagte uns der Security. Als wir uns wieder von der Bank entfernten, erklärte mir Madiakher, dass er dies schon drei Tage zuvor gesagt bekommen hat. Da wir somit kein Geld abheben konnten, mussten wir wohl oder übel weitergehen. Unseren Plan mussten wir aufgrund dessen ein weiteres Mal etwas anpassen. Wir gingen zu unserem Kollegen, um das Motorrad unterzustellen und um da meine Büroarbeiten zu machen. Als wir angekommen waren, war ungefähr 10 Uhr morgens. Losgegangen waren wir um ca. 8 Uhr. Unseren Frühsport hatten wir somit schon erledigt. Schweissgebadet und durstig gönnten wir uns eine kurze Pause und planten unser Tag neu. Während ich mich an die Büroarbeiten machte, zog Madiakher los, um seine anstehenden Aufgaben zu verfolgen. Nach etwa einer Stunde kam er wieder zurück und teilte mir mit, die Bank würde wieder funktionieren und er hätte das Geld abheben können. So machte er sich los, um das Motorrad zu reparieren.

Gegen 19 Uhr rief ich ihn an und fragte, wie sein Plan so ausschauen würde. Seit dem Morgen hatten wir uns nicht mehr gehört oder gesehen. Er sei noch immer in der Werkstatt, würde aber bald da sein. Das ganze Motorrad wurde auseinander genommen, da auch der dritte Gang schon seit längerem nicht mehr funktioniert hatte. Seit Tagen waren wir nur noch im zweiten oder vierten Gang gefahren, sodass wir am heutigen Tag die Reparatur dessen geplant hatten. Aber wie ihr lesen könnt, sind Pläne hier ein guter Ansatz, doch sie ändern sich unglaublich schnell wieder. Etwa zwanzig Minuten später stand Madiakher da jedoch ohne Motorrad. Es sei noch nicht zu Ende repariert, doch er würde kurz mit mir Nachhause gehen, um danach wieder zurück zum Motorrad zu gehen und es zu holen. Ihr müsst wissen, wir wohnen mit dem Auto etwas dreissig Minuten entfernt, sodass dies viel Zeit in Anspruch nehmen würde.

Wir planten also nochmals neu, sodass ich bei unserem Kollegen weiterhin blieb und er sich um das Motorrad kümmerte. Wenn du möchtest, dass deine Dinge zeitnah erledigt werden, musst du vor Ort sein. Ansonsten werden deine Dinge auf die Seite gelegt und weitere Anträge angenommen. Aufgrund dessen blieb Madiakher den ganzen Tag über in der Werkstatt, um möglichst schnell und effektiv unser Motorrad reparieren zu lassen. Während ich mit meiner Familie telefonierte, schaute Madiakher in der Werkstatt nach dem Rechten. Es ging nicht lange und Madiakher kam mit dem Motorrad wieder zurückgefahren. Endlich, es war repariert und der Motor tönte wieder so, wie er sollte. Madiakher und unser gemeinsamer Kollege inspizierten es nochmals, um noch einen Feinschliff zu machen. Mit der Taschenlampe der Handys leuchteten wir, um überhaupt was zu sehen. Zwischenzeitlich war zwar der Strom wieder zurück und wir hatten Licht, doch die Strassenlaternen waren zu weit entfernt und zu schwach um in der Dunkelheit, die schon eingebrochen war, etwas zu sehen.

Wir entdeckten, dass der Verschluss des Benzins nicht zu war, als wir den Sitz entfernten, um nach dem Benzinstand zu schauen. Als das Motorrad zu Ende repariert war, begann Madiakher zu erzählen, kam direkt die Polizei zur Werkstatt. Sie hätten einige Meter weiter vorne auf der Strassen einen Herrn fassen können, welcher Marihuana auf sich hatte. Von ihm hätten sie die Information erhalten, dass er die Ware bei der besagten Werkstatt, respektive bei einem Herrn, der sich da aufhielt, gekauft hatte. Es ist bekannt, dass die Verkäufer von Marihuana sich bei den Werkstätten aufhalten und so tun, als würden sie da arbeiten, um somit eine Deckung zu haben. Als die Polizei nun zu dieser Werkstatt kam, beeilte sich Madiakher, um sein Motorrad zu nehmen, für die Reparatur zu bezahlen und da weg zu kommen. Er wollte verhindern, dass ihm jemand etwas unterschiebt und in seinem Motorrad verstecken würde. Sowas kommt öfters vor, denn die Verkäufer schauen natürlich, dass sie schnellstmöglich ihre Ware weit weg von sich deponieren und somit schützen können. Und würde einmal die Polizei dein Motorrad untersuchen, dauert dies seine Zeit und du kannst sicher sein, dass du ihnen etwas bezahlen musst. Egal, ob du sauber bist oder nicht.

Der Verschluss des Benzins verschlossen und die letzten Checks abgeschlossen, war es schon kurz vor 21 Uhr, sodass es Zeit war für das Abendessen. Wir machten uns auf den Weg zurück nach Hause und konnten unseren abenteuerlichen Tag mit einem leckeren Abendessen auf der Terrasse, mit einer kühlen Brise in Ruhe abschliessen.

 

Wir senden euch viel Sonnenschein und grüssen euch herzlich,

Madiakher & Muriel

©Verein "Nio boku gis gis - on vois dans la même direction"